Mein Beitrag geht nach einem Überblick zur ,Hochbegabungs’-Problematik im Verhältnis zu
spezifisch deutschen Erfahrungen auf die Institutionalisierung einer bestimmten Form von
Begabungsauswahl in der Studienstiftung zwischen 1925 und 1933 sowie ab 1948 ein.
Abschließend und mit Blick auf die Diskussion stelle ich einige Thesen zu den Besonderheiten der
Studienstiftung vor. Einführend hier einige meiner Befunde: Die Dominanz eines stark an Mosca
und Pareto orientierten, auf Herrschafts-Elite reduzierten Elite-Begriffs schon vor 1933 hat seit
1945 die negative Identifizierung von ,Hochbegabung’ mit Elite und seit Mitte der 1960er Jahre die
kulturelle Hegemonie der problematischen These von der ,Eliten-Kontinuität’ („Bündnis der
Eliten“) erleichtert. Die 1925 gegründete Studienstiftung des deutschen Volkes, die erste deutsche
Institution zur Auswahl und Förderung von ,Hochbegabten’, war eines der großen
bildungspolitischen Reformprojekte der Zwischenkriegszeit. Die von der Reformpädagogik Eduard
Sprangers, Hermann Nohls und Theodor Litts beeinflusste, von Carl Heinrich Becker und Carl
Duisberg mitgegründete Studienstiftung förderte nach den Auswahlkriterien Begabung,
Persönlichkeit und Leistung zwischen 1925 und der Auflösung 1933/34 Studenten und Doktoranden
aller Studienfächer, darunter 15% Arbeiterkinder (ca. 5% der Studentenschaft). Sie diente
programmatisch und praktisch, anders als die Neugründung von 1948, der gezielten Erschließung
von Bildungsreserven. Durch die Professionalisierung der Identifizierung, Auswahl und Förderung
von ,Hochbegabten’ reagierte die Studienstiftung auf die Modernisierungskrise der deutschen
Universität nach dem Ersten Weltkrieg. Der zweite Professionalisierungsschub erfolgte mit der
Verwissenschaftlichung der ,Hochbegabungs’-Diagnostik Anfang der 1970er Jahre unter dem
Einfluss der psychologisch-pädagogisch-sozialwissenschaftlichen Forschung (Testverfahren des
Instituts für Test- und Begabungsforschung der Studienstiftung; z.B. Medizinertest). Die Geschichte
der Studienstiftung ist ein Beispiel defensiver und partieller Modernisierung im
Wissenschaftsmanagement.
Donnerstag, den 21.06.
um 18 Uhr im ehem. Sitzungssaal im Alten Kreishaus (41/112)
Eintritt frei
Prof. Dr. Rolf-Ulrich Kunze
Karlsruher Institut für Technologie (KIT),
Fakultät für Geistes- und
Sozialwissenschaften,
Institut für Philosophie,
76131 Karlsruhe
0721/608 45499,
Rolf-Ilrich.Kunze@kit.edu;
Website beim Institut für Philosophie, Karlsruhe