Stellungnahme zur bevorstehenden Entscheidung in Sachen Kunstgeschichte
Uni Osnabrück 2018: Bildungslücke als Strategie?
Ausgerechnet im „Jahr des europäischen Kulturerbes (2018)“ forcieren das Präsidium und der Hochschulratsvorsitzende der Universität Osnabrück die Schließung der Kunstgeschichte und setzen damit zukünftig auf Bildungslücken.
AStA und StuRa der Universität Osnabrück sind empört über die Ignoranz, mit der das Präsidium und der Vorsitzende des Hochschulrats weiterhin den Umbau der Universität durchsetzen wollen – gegen den Mehrheitswillen des Senats und des Fachbereichsrats, gegen die Beschlüsse der Studierendenvertretung und gegen jedes Sachargument.
Wer sich derart ignorant über die Beschlüsse der demokratisch legitimierten Gremien hinweg setzt und konstant die Argumente der größten Statusgruppe an der Universität missachtet, der entzieht sich letztlich seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.
Im November 2017 war das Präsidium zum zweiten Mal damit gescheitert, eine Mehrheit im Senat der Universität für die Schließung der Kunstgeschichte zu bekommen. Alle dazu herangezogenen Argumente waren zuvor widerlegt worden. Nach dem Fachbereichsrat hatte sich damit auch der Senat mehrheitlich gegen das Präsidium gestellt.
Wer an dieser Universität die Schließung der Kunstgeschichte wirklich will, zeigte sich in der Präsidiumssitzung im Januar 2018: Nach diversen Versuchen, die Verantwortung auf andere abzuwälzen – mal sollten „Gegner des Faches im Fachbereichsrat“ verantwortlich sein, mal sollte das Ministerium an allem Schuld sein und dann wieder sollte „die ganze Verantwortung beim Senat liegen“ – war es einzig das Präsidium, das geschlossen gegen das Fach stimmte. Die letzte Chance auf eine Beilegung des Konfliktes mit den demokratisch legitimierten Gremien war damit endgültig vertan.
Dieser fatale Irrweg wird jetzt konsequent weiter verfolgt: Nachdem der AStA und der StuRa der Universität gemeinsam an den Hochschulrat appelliert hatten, ein Veto einzulegen, sorgt nun die Antwort des Vorsitzenden des Hochschulrates für weitere Verärgerung. Darin sind wieder die abgenutzten, flachen, inhaltsfernen Äußerungen des Präsidiums erkennbar, die seit langem widerlegt sind:
Angeblich sei „die Ausbildung der Studierenden gesichert“. Tatsächlich wurde dem Fach im Vorgriff auf die Schließung im Jahr 2024 bereits 2017 die Juniorprofessur entzogen. Neue Studierende, die einen aktiven Beitrag leisten könnten, wird es ab dem kommenden Semester nicht mehr geben. Bereits eingeschriebene Studierende werden nicht mehr in ein abgeschafftes Fach investieren. Sie werden ihr Studium entweder zeitnah beenden oder an eine andere Universität wechseln. Interdisziplinäre Arbeitsansätze wie auch tutorische Arbeitsweisen werden nicht mehr erfahrbar sein. Und welche*r Dozent*in wird sich angesichts leerer Stuhlreihen noch Mühe geben? Dies alles betrifft selbstverständlich auch die Verbundfächer der Kunstgeschichte. Die engagierten Studierenden und Dozent*innen werden abwandern. Von einer Sicherung der Ausbildung für die Studierenden kann keine Rede sein. Dies zu behaupten ist einfach weltfremd.
Weiter wird fabuliert, das Fach wäre angeblich „im Zukunftsprozess seinem Forschungsauftrag nicht nachgekommen“, es sei „nicht sichtbar“ gewesen. Dieser Vorwurf wirkt einfach lächerlich, wenn der Präsident öffentlich zugeben muss, dass er zwar direkt neben den Kunsthistorikern saß, als diese ihre Beiträge zum Zukunftskonzept vortrugen – er aber einfach nicht zuhörte.
Außerdem sind es die Osnabrücker Kunsthistoriker*innen, die im Verbund mit der Osnabrücker Geschichtswissenschaft und mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung zum UNESCO-Weltkulturerbe Hildesheimer Dom forschen. Verdienstvoller kann sich ein Fach in Niedersachsen nicht engagieren.
Das Osnabrücker Institut mitten im Verlauf eines von einem Bundesministerium geförderten Forschungsprojekts zu schließen, ist ein Affront gegen das Ministerium, wie er gröber nicht ausfallen kann. Die Zuständigen dort waren „schockiert“, als sie von der Schließungsabsicht erfuhren.
Das Fach Kunstgeschichte im „Jahr des europäischen Kulturerbes“ zu schließen bedeutet auf das europäische Kulturerbe – also auf Kultur – zu verzichten.
Vollständig weltfremd ist auch die Feststellung des Hochschulrats, die Studierenden sollten doch „das Fach ermutigen sich auf den Weg zu machen“ und ein zukünftiges Präsidium von dem wissenschaftlichen Wert des Faches zu überzeugen. Zur Erinnerung: Das Fach wird jetzt geschlossen. Ab dem kommenden Semester werden keine Studierenden mehr aufgenommen. Der akademische Ruf dieser Universität wird jetzt ruiniert.
Das Fach ist seit langem ausgesprochen anwendungsbezogen in den Museen und Institutionen der Stadt, des Landes und des Bundes aktiv. Aber das wird nicht im Ansatz zur Kenntnis genommen. Die Museen beklagten bereits den zu erwartenden Verlust an Fachkräften, der in Osnabrück – einem wichtigen Gedenkort der niedersächsischen, der deutschen und der europäischen Geschichte – von besonderer Bedeutung ist.
Wer sich öffentlich die Bedeutung und die Konsequenzen eines derartigen Vorgangs erklären lassen muss, hat in der Universitätsleitung nichts verloren.
Nicht ein einziges Argument der studentischen Gremien wurde vom Präsidium oder vom Hochschulratsvorsitzenden beantwortet. Der Versuch zu überzeugen, ist nicht im Ansatz erkennbar. Stattdessen wird beharrlich versucht, die Kritik an dem Vorgehen des Präsidiums einfach abzutun und alle Verantwortung dem Fach zuzuschieben. Wer sich derart ignorant den Beschlüssen der Unigremien und den Argumenten der größten Statusgruppe an der Universität verschließt und sie einfach nicht beantwortet, missachtet seine Verantwortung gegenüber der Wissenschaft und der Gesellschaft.
An der Universität Osnabrück werden Bildungsstrukturen abgebaut, die letztlich öffentlich finanziert und getragen werden und somit allen Teilen der Gesellschaft zugute kommen sollten. Das passiert auf Basis eines Missbrauchs der aktuellen Rechtsanwendung nach dem NHG. Nach der derzeitigen Anwendung des Gesetzes in Niedersachsen werden Fächer nur geschlossen, wenn keine ausreichende Auslastung durch Studierende gegeben ist oder keine wissenschaftlichen Erträge feststellbar sind. Selbst in solchen Fällen werden üblicherweise zunächst Stützungsmaßnahmen erwogen. So berichteten es uns die Senatsmitglieder anderer niedersächsischen Universitäten.
Getroffen wird davon nicht nur die Kunstgeschichte. Die Schließung trifft einen ganzen Fächerverbund, der bisher erfolgreich kooperiert hat und letztlich die gesamte Universität. Ein kulturbildendes Fach geht Niedersachsen verloren und damit trifft es in letzter Konsequenz die ganze Gesellschaft.
Daraus ergeben sich auch auf der strukturellen Ebene Folgen für alle Universitäten: In Osnabrück wird gerade ein Präzedenzfall geschaffen, der einen Dominoeffekt auslösen wird. Zukünftig werden kleinere Fächer einfach so geschlossen. Großen, besser ausgebauten Fächern werden willkürlich Professuren entzogen werden, wann immer dies die Pensionierungspläne hergeben. Hier wird Personalpolitik und Klientelpolitik auf Kosten der Freiheit von Forschung und Lehre betrieben. Der Schaden für die ganze Universität übersteigt den Nutzen für die einzelnen Profiteur*innen. Die dadurch in Gang gesetzte akademische Verarmung wird nicht nur das Bundesland Niedersachsen betreffen. Verfassungsferne Politiker*innen haben bereits ein eigenes Kulturprogramm angekündigt, in dem sie die Kultur der Bundesrepublik Deutschland umdeuten wollen. Dies fördern das Präsidium und der Hochschulratsvorsitzende mit dem willkürlichen Beschluss gegen die Kunstgeschichte.
Die Vorgehensweise des Präsidiums hat eine tiefgreifende Spaltung der Universität bewirkt. Im vergangenen Jahr hatte es bei den Senatssitzungen die Chancen zu einem Richtungswechsel und zu einer Überwindung der Differenzen gegeben. Doch diese Chancen wurden verpasst. Niemand aus dem jetzigen Präsidium wird zukünftig in der Lage sein, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Zu leichtfertig wurden wenig überzeugende Konzepte zum Nachteil vieler Fächer in rücksichtsloser Weise durchgezogen.
Innerhalb der Universität kann nur noch der Hochschulrat, auf der Sitzung am 25. Mai, diesen Prozess aufhalten. Mit Verweis auf die Unstimmigkeiten der Argumentation und die Uneinigkeit innerhalb der Universität gäbe es dafür Gründe genug. Vor allem aber gibt es keine einvernehmlich akzeptierte Strategie zur Hochschulentwicklung. Seit Jahren wird diese Uni vor die Wand gefahren. Es wurde nichts unternommen, um sich auf die bildungspolitischen Vorgaben aus Hannover einzustellen. Im Vergleich mit anderen niedersächsischen Universitäten geht es immer weiter bergab. Jetzt unter der Bezeichnung „Zukunftskonzept“ Fächer zu kannibalisieren und Professor*innen-Planstellen bei Verrentung einzuziehen, ist keine Lösung. Doch in der sachfernen Sichtweise des Hochschulratsvorsitzenden wird in ernüchternder Weise nur die oberflächliche und falsche Argumentation des Präsidiums wiederholt. Eine Lösung ist nicht sichtbar.
Nach der Hochschulratssitzung an diesem Freitag könnte nur noch der Minister für Wissenschaft und Kultur die Zustimmung verweigern. Was danach kommen wird ist ein Abbau von Bildungsstrukturen der Universität Osnabrück: so geht „Zukunft mit Bildungslücke“.